Kennt ihr diese Momente in der Buchhandlung, in denen ihr denkt “Hoffentlich ist das Buch nicht für das Kind, sondern für die große Schwester oder den großen Bruder”? So ging es mir letztens, als ein Kind – ich würde es auf dreizehn Jahre schätzen – mit Icebreaker in der Buchhandlung gesehen habe. Da ist bei mir wieder der Gedanke aufgeploppt, ob es nicht eine Altersbeschränkung für Bücher geben sollte, immerhin sind nicht alle Themen für jüngere Lesende geeignet. Deshalb habe ich in diesem Post einige Argumente für und gegen eine Altersbeschränkung für Bücher zusammengetragen.
Argumente für eine Altersbeschränkung für Bücher
Bei Filmen & Videospielen gibt es auch die FSK bzw. USK
Die FSK stuft Filme danach ein, ob und wie sie sich auf die Entwicklung für Kinder und Jugendliche auswirken können. Nehmen wir beispielsweise Filme, die erst ab 12 Jahren freigegeben sind, schreibt die FSK dazu: “12- bis 15-jährige befinden sich in der Pubertät, einer Phase der Selbstfindung, die mit großer Unsicherheit und Verletzbarkeit verbunden ist. Insbesondere Filme, die zur Identifikation mit einem „Helden“ einladen, dessen Rollenmuster durch antisoziales, destruktives oder gewalttätiges Verhalten geprägt ist, bieten ein Gefährdungspotenzial.” . Doch diese “Helden” gibt es natürlich nicht nur in Filmen oder Videospielen, sondern auch in der Literatur. Klar, Filme erreichen oftmals ein größeres Publikum, was aber niemanden davon abhalten sollte, Bücher mit ähnlich destruktivem Verhalten oder expliziten sexuellen Szenen in gewisser Weise zu beschränken. Diese Bücher werden trotzdem gekauft und gelesen – nur leider von den falschen Lesenden.
Hier möchte ich anmerken, dass sich Kinder, die noch nicht 12 Jahre alt sind, mit Begleitung der Eltern Filme anschauen können, die als FSK 12 eingestuft werden. Dies würde bei Büchern in den meisten Fällen so nicht funktionieren, denn meist liest man die Bücher alleine und nicht mit den Eltern zusammen. Auch beim Kauf der Bücher kann das Elternteil natürlich dabei sein, doch das würde nicht helfen, dass das Kind keinen Zugang zu den Inhalten bekommt, das es nicht sehen bzw. lesen sollte.
Erziehungsberechtigte können nicht für totale Sicherheit sorgen
Klar, man kann von Erziehungsberechtigen durchaus verlangen, sich für die Bücher zu interessieren, die ihre Kinder lesen. Manchmal geben Cover und Klappentext schon Aufschluss darüber, ob das Buch nun für einen Sechsjährigen geeignet ist. Doch diese jetzt selbst zu lesen und zu prüfen, ob der Inhalt für das eigene Kind geeignet ist, würde wohl den Rahmen sprengen. Da können Einschätzungen von Experten besser helfen als das Buch zu überfliegen. Und was, wenn das Kind das Buch heimlich auf dem Nachhauseweg kauft und die Eltern davon nicht mitbekommen?
Das Kontrollgremium Deutschlands ist zu lasch
Nun könnten Gegner einer Altersbeschränkung natürlich das BPjM, die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, anführen, die bereits darauf achtet, Bücher, Filme und Computerspiele wegen ihres jugendgefährdenden Inhalts aus dem Verkehr zu ziehen. Doch das ist meist nur Literatur, die sowieso nie geschrieben oder gar veröffentlicht werden sollte, weil sie beispielsweise rechtsradikales oder diskriminierendes Gedankengut enthält. Aber es geht ja viel mehr darum, Szenen mit Gewalt oder Spice einzuschränken – nicht aus dem Verkehr zu ziehen! – und dafür gibt es eben bisher niemanden.
Argumente gegen eine Altersbeschränkung für Bücher
Literatur wird von jeder Person anders wahrgenommen
Es könnte auch sein, dass ein Dreizehnjähriger – wie im Beispiel oben – durchaus die Reife hat, ein Buch mit Gewaltszenen zu lesen – und ein Zwanzigjähriger nicht. Menschen nehmen Kunst, also auch Literatur, immer anders wahr, z.B. abhängig von ihren bisherigen Erfahrungen oder dem Umfeld, in dem sie aufgewachsen sind. Wie verschiedene Menschen das Buch in ihrem Kopf “bebildern” – was sie also bei einer Szene sehen -, lässt sich mit einer Altersbeschränkung schlecht zensieren, weil man auch bei einem scheinbar harmlosen Jugendbuch Szenen sehen kann, die verstörend sind. Deshalb wäre es eher unnötig, Bücher mit einer Altersbeschränkung zu versehen und dann trotzdem Gefahr zu laufen, dass die Bücher für die Entwicklung einiger Menschen nicht geeignet sind.
Buchhandlungen haben eine Kontrollfunktion, die schwer umzusetzen ist
Würde man, theoretisch gesprochen, eine Altersbeschränkung für Bücher einführen, müsste man sich erst ein Kontrollgremium wie die FSK bzw. USK anschaffen. Diese brauchen dann Informationen über den Verlag, um das Buch einzustufen und geben das dann an Buchhandlungen weiter. Beim örtlichen Buchladen um die Ecke sollte es weniger ein Problem darstellen, mit dem Personalausweis zu prüfen, ob die Person tatsächlich alt genug ist für den Erwerb des Buches. Aber was ist mit Onlinebuchhandlungen, die mehr und mehr zunehmen? Muss man dann jedes Mal, wenn man ein Buch kaufen möchte, ein Bild vom Personalausweis hochladen und dieses auf das Alter kontrollieren lassen? Und was, wenn man einfach den Perso der großen Schwester nimmt? Ist das nicht viel zu umständlich und für Buchhandlungen zu kostspielig?
Bücher, die eigentlich wichtig für die Altersgruppe wären, sind eingeschränkt verfügbar
Eines der wohl einflussreichsten Dystopien unserer Zeit ist “Die Tribute von Panem” von Suzanne Collins. Das Buch zeigt nicht nur auf, wie ein totalitäres Regime es schafft, die Mehrheit seiner Landsleute zu unterdrücken, sondern auch noch tödliche Spiele mit Kindern zu legitimieren. Das und viele weitere Aspekte würden bei einer Altersbeschränkung aufgrund von gewaltvollen Szenen vielleicht für Jugendliche nicht mehr zugänglich sein. So würde das Buch Jugendlichen nicht mehr zeigen können, wie wichtig Rebellion, Freiheit und Demokratie sind. Und das trifft nicht nur auf dieses Buch zu, denn viele Dystopien – wie beispielsweise diese hier – oder auch Bücher aus anderen behandeln Themen an Puls der Zeit, die manchmal eben auch Szenen mit Gewalt brauchen, um ihre Bedeutung zu stützen.
Außerdem soll gerade für die junge Leserschaft, mutig und provokant geschrieben werden. Doch was, wenn sich AutorInnen das nicht mehr trauen, weil sie Angst haben, dass ihr Buch sich dann schlecht verkauft, weil es für gewisse Altersgruppen nicht vertreiben lässt?
Ein Verbot könnte Lesende erst recht reizen, das Buch zu lesen
Gerade Kinder und Jugendliche werden von Verboten gereizt. Nicht umsonst ist der Erziehungsstil ohne Verbote immer mehr im Trend, um Kinder nicht absichtlich darauf zu bringen, Verbotenes zu tun. Denn der Nervenkitzel ist natürlich da – schaffe ich es mit dem Ausweis meiner großen Schwester, das Buch zu kaufen, das ich eigentlich noch gar nicht lesen darf? So oder so kommen die Lesenden an ihre Bücher – durch ältere Freundinnen und Freunde oder Geschwister.
Welche Probleme gäbe es bei der Umsetzung einer Altersbeschränkung?
Im Self-Publishing gäbe es keine Instanz, die die Altersbeschränkung umsetzt
Bei traditionell veröffentlichten Büchern – den Unterscheid zwischen Traditional und Self-Publishing habe ich hier erklärt – besteht die Möglichkeit, dass Verlage oder Buchhandlungen, die das Buch verkaufen, die Altersbeschränkung bestimmen und umsetzen. Nun könnte man diese Aufgabe natürlich auch an die großen Self-Publishing-Plattformen geben wie KDP (Kindle Direct Publishing), doch was ist mit Self-Publishern, die über eine Plattform veröffentlichen, die so etwas nicht anbietet? Genau, ein Schlupfloch, durch das das gesamte System in sich zusammenfallen könnte.
Welche Alternativen zur Altersbeschränkung gibt es?
Eine Altersempfehlung, die bei allen Verlagen einheitlich ist
Bei einigen Büchern gibt es bereits in Deutschland den Hinweis auf dem Cover oder auf dem Buchrücken, dass das Buch erst ab 18 Jahren geeignet ist, ähnlich wie in den Niederlanden. So können potentielle Lesende besser einschätzen, was sich hinter dem süßen Comic-Cover wirklich verbirgt, wenn wir zurück zum Beispiel von Icebreaker kommen. Damit das auch richtig funktioniert und Bücher mit ähnlichem Inhalt nicht auf einmal Dreizehnjährigen und Achtzehnjährigen empfohlen werden, sollte es hier einen einheitlichen Maßstab für Verlage geben, die dann die Altersempfehlung für die Bücher aussprechen.
Das würde auch Buchhandlungen helfen, die Bücher in den richtigen Bereich einzusortieren. Viel zu oft sehe ich New Adult Bücher mit Spice in der Jugendbuchabteilung. Den Buchhandlungen kann man es aber auch nicht verdenken, dass sie einige Bücher falsch einordnen, schließlich bleibt meist keine Zeit, das Buch auf Spice und Gewaltszenen zu prüfen, bevor es ausliegt. Und nachdem bisher klassische “Jugendbuch”-Verlage wie Ravensburger und Carlsen immer mehr auch New Adult Bücher vertreiben, lässt sich eine pauschale Einordnung durch den Verlagsnamen auch nicht umsetzen.
Triggerwarnungen statt Altersbeschränkung
Vielleicht sind Altersbeschränkungen zu restriktiv, dann greift man doch lieber zu Triggerwarnungen. Ja, auch diese sind kontrovers diskutiert, aber die beschränken nicht so sehr, weil sie keiner Altersgruppe Bücher verbieten. Wenn die Triggerwarnung hinten im Buch steht, besteht auch die Möglichkeit, das Buch ohne Spoiler zu lesen, wenn man sie sich nicht anschaut, weil man weiß, dass man nicht getriggert wird.
Ich hoffe, ich konnte mit diesem Post einige Argumente für und gegen eine Altersbeschränkung, sowie einige Schwierigkeiten in der Umsetzung und Alternativen aufzeigen. Wenn ich einen Aspekt vergessen habe, einfach in die Kommentare damit!
Da das jetzt einfach relativ trockene Auflistung von Argumenten ist, wie man sie vielleicht noch aus der Erörterung aus dem Deutsch-Unterricht kennt, möchte ich zu diesem Thema noch einen weiteren Post machen, bei dem ich auch meinen Senf dazugebe und das Thema hoffentlich etwas ansprechender rüberbringen kann. Sobald dieser online ist, findest du ihn hier.
Jetzt interessiert mich aber erstmal deine Meinung – wie stehst du zu einer Altersbeschränkung für Bücher? Welche Probleme oder Chancen siehst du dabei? Oder sollte man lieber eine Alternative nutzen? Lass es mich gerne in den Kommentaren wissen!
Viel Spaß beim Schmökern
Pearl Diver of Books