Die Frankfurter Buchmesse 2024 – New Adult hat in diesem Jahr das erste Mal eine eigene Halle bekommen, nachdem der Andrang im letzten Jahr zu groß war. Auch die Medien berichten deshalb fleißig über das Genre – und wie sie berichten. ZDF, die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Neue Presse und die Neue Züricher Zeitung haben es geschafft, mit ihren Artikeln das New Adult-Genre falsch zu verstehen. Was das Genre wirklich ist und warum diese Berichterstattung so gefährlich ist, liest du hier. Und liebe RedakteurInnen dieser Medien, vielleicht ist dieser Artikel ja auch etwas zu für euch 😉
Disclaimer: Dieser Blogpost dient zur Aufklärung, nicht dazu, einzelne Menschen durch den Dreck zu ziehen oder bloßzustellen. Wir alle machen Fehler, also lasst uns daraus lernen, ja?
New Adult = Dark Romance?
Das ZDF wählt für ihren Artikel den Titel “New Adult auf der Buchmesse: Die Faszination von Dark Romance”. Wer nur wenige Minuten auf TikTok oder schon in der Buchhandlung verbringt, weiß: New Adult und Dark Romance sind nicht dasselbe. Dennoch vermischt der Artikel die beiden Genres und lässt es so aussehen, als würden die teils problematischen und grenzwertigen Inhalte von Dark Romance auf das gesamte New Adult Genre zutreffen.
Ja, in einem Nebensatz wird kurz erwähnt, dass Dark Romance eine “Spielart des Genres ‘New Adult’” ist. Doch bereits im nächsten Paragraphen, der unter der Überschrift “Zielgruppe von New Adult: weiblich, jung, romantisch” läuft, schreibt die 3sat Redakteurin dieses Artikels “Was 2011 mit „Fifty Shades of Grey“ anfing, wird nun mit Coming-of-Age-Stories verwoben. Die Zielgruppe von Dark Romance sind Leserinnen und Leser zwischen 18 und Anfang 30, die meisten Fans sind weiblich.” Zudem wird hier, wie in allen anderen Artikeln, nur eine Dark Romance Autorin interviewt, J. S. Wonda. Sie selbst sagt in einem Thread, dass sie gesagt habe, bei ihr Dark Romance sei und nicht New Adult.
Also liebes ZDF, liebes 3sat, liebe andere Medien: New Adult ist nicht gleich Dark Romance. Wie die Frankfurter Neue Presse richtig feststellt, ist Dark Romance “eine Art Sub-Genre der „New Adult“-Literatur”. Dabei muss New Adult übrigens gar keine romantischen Elemente beinhalten, sondern kann auch ein Thriller oder Krimi sein, der eben für Menschen geschrieben ist, die sich zwischen Jugendromanen (Young Adult) und Erwachsenenromanen (Adult) befinden – die empfohlenen Altersgrenzen für New Adult können die Artikel aber scheinbar im Schlaf aufzählen.
Was ihr aus diesem Abschnitt mitnehmen sollt? New Adult ist nicht Dark Romance und hat viel weniger, wenn nicht sogar gar keine, problematischen Inhalte. Und: Wenn ihr, liebe Medien, über New Adult schreibt, fragt doch bitte auch New Adult Autorinnen, nicht nur eine Dark Romance Autorin. Ja, Jane S. Wonda ist bekannt, aber Autorinnen wie Mona Kasten, deren Buchadaption “Maxton Hall – Die Welt zwischen uns” seit Mai die Amazon Prime Charts toppt, oder Lena Kiefer, Lilly Lucas und Sarah Sprinz, die regelmäßig die oberen Plätze der Spiegel Bestseller-Liste belegen, sind echte New Adult Autorinnen. Sie werden euch auch wirklich etwas über das Genre erzählen, über das ihr berichtet.
New Adult ist eine Parallelwelt zur anspruchsvollen Literatur?
“Fernab der Messehalle 3 mit ihren Traditionsverlagen wie Rowohlt oder Diogenes, ihren intellektuellen und stilistischen Ansprüchen, den großen gesellschaftspolitischen Thesen und schmalen Essays, wartet eine ganz andere Welt.” Alles klar, liebe Neue Züricher Zeitung, damit befindet sich also New Adult abseits einer Welt des Stils, der Gesellschaftspolitik und des Intellekts? Öhm, nicht ganz.
Abgesehen davon, dass New Adult Menschen wieder zum Lesen bringt, wie der Artikel selbst sagt – “Es ist eine Art Hintereingang in die Bücherwelt. Für Leserinnen ebenso wie für Autorinnen. «Mit diesen Romanen habe ich zum Lesen zurückgefunden. Man liest sie einfach weg, und das tut gut», sagt eine der Besucherinnen.” -, bringt New Adult durchaus gesellschaftspolitische Thesen auf den Tisch. Es werden wichtige Tabu-Themen angesprochen, die sonst im Verborgenen bleiben, die sonst keine Stimme bekommen. In Mounia Jayawanths Roman “All Our Golden Dreams” thematisiert sie Essstörungen und spricht damit aus eigener Erfahrung. Auch Gewalt an Frauen in der Partnerschaft -klingelt da was? Mittlerweile stirbt alle zwei Tage eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner – in “Sorry – Ich habe es nur für dich getan” von Bianca Iosivoni oder Verlust von Kindern in “Saved Dreams” von Ava Reed findet dank New Adult mehr Platz in der Literatur und wird deshalb diskutiert und eher wahrgenommen. Menschen fühlen sich gesehen und verstanden.
Und dass New Adult keinen stilistischen Anspruch hat, kann man nur schreiben, wenn man noch nie Bücher von Merit Niemeitz oder Tess Tjagvad gelesen hat (beide übrigens – suprise, suprise – New Adult Autorinnen!). Mit ihren Metaphern und Alliterationen bringen sie Literatur auf ein ganz anderes Level und weben wahre Magie aus Worten. Außerdem ist es so oder so schwer, Lesende für Stunden am Lesen zu halten – nur möglich, wenn man wirklich gut schreiben kann wie Lena Kiefer oder Sarah Sprinz.
New Adult wolle “nur” unterhalten und habe wenig mit Political Correctness?
“New Adult wolle nämlich «nichts außer unterhalten», so sagt es Jane S. Wonda. Sie ist eine der erfolgreichsten New-Adult-Autorinnen Deutschlands.” Auch hier, liebe Neue Züricher Zeitung – J. S. Wonda ist keine New Adult Autorin. Und die Beispiele oben belegen, dass New Adult mehr kann und auch mehr will, als nur zu unterhalten. New Adult kann inspirieren, sich für Themen wie Frauenrechte oder Umweltschutz einzusetzen. New Adult kann informieren, über Missstände in unserer Gesellschaft. New Adult kann enttabuisieren. New Adult kann mehr als nur zu unterhalten. Und New Adult möchte das auch. Ja, das hier ist kein informierendes Sachbuch über Friedrich Merz’ Karriere und ja, fiktionale Bücher dienen oftmals auch dem Eskapismus – aber eben nicht nur.
Weiterhin sagt J. S. Wonda folgendes über das Genre: «Wir haben wenig Political Correctness. Es muss nicht immer irgendwie noch etwas mitgetragen werden, noch eine politische Message unterlegt werden.» Zur Erinnerung: Political Correctness ist eine “Einstellung, die alle Ausdrucksweisen und Handlungen ablehnt, durch die jemand aufgrund seiner ethnischen Herkunft, seines Geschlechts, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht, seiner körperlichen oder geistigen Behinderung oder sexuellen Neigung diskriminiert wird” – zumindest sagt das der Duden. Ja, manche Bücher mögen politisch inkorrekt sein, aber viele versuchen auch, Political Correctness aufzuzeigen, indem sie über queere Paare handeln, die Teil unserer Gesellschaft sind, ohne dabei diskriminiert werden zu müssen wie in Ava Reeds “Saved Dreams”. Oder dass Ruby Bell in Mona Kastens “Maxton Hall”-Reihe ihrer unteren sozialen Schicht zum Trotz allen zeigt, dass sie nach Oxford gehen kann und dabei hilft, diskrimierende Sprüche einfach stecken zu lassen.
New Adult ist nur rosarot und Blümchen – es lebe das Klischee!
Zum Ende hin noch ein paar Best Of-Klischees zu New Adult, die sich in den verschiedenen Artikeln widersprechen. Mal wird New Adult nur als harter Dark Romance dargestellt, mal nur rosarot und mit Blümchen.
Allein im nicht von der Paywall verdeckten Teil der Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung werden die Begriffe “rosarot” und “rosafarben[…]” verwendet, um New Adult zu beschreiben – und das in weniger als fünf Sätzen. Der SWR macht mit seinem Artikel zwar schon einiges besser als die KollegInnen, dennoch gibt es auch hier die Beschreibung “Keine mit Blumen dekorierten Stände. Keine rosaroten Bücherwände”. Auch die Frankfurter Neue Presse beschreibt New Adult als “rosarote Romanze” und nutzt die Begriffe “Liebe, Sex und böse Jungs” in der Überschrift, als würde New Adult nur davon handeln. Ähm, nein.
Warum diese Berichterstattung schädlich ist
Sie schadet der Autorität & dem Vertrauen in die Medien
Mit diesem Blogpost möchte ich nicht einzelne Medien durch den Dreck ziehen, weil sie sonst wirklich gute journalistische und wichtige Aufklärungsarbeit betreiben. Im Gegensatz zur BILD oder Klatschmagazinen, die mit Halbwahrheiten oder erfundenem und erlogenem Stuss nur so um sich werfen, kann man den oben genannten Medien vertrauen. Eigentlich. Nach diesen Berichterstattungen zweifelt man als New Adult-KennerIn daran – zurecht – und genau das ist gefährlich.
Denn wenn wir wissen, dass falsche Informationen in diesen Medien stehen, wir sie aber nur gefunden haben, weil wir uns auskennen, wie sollen wir dann in Zukunft darauf vertrauen, dass nicht auch falsche Informationen bei den Themen stehen, bei denen wir weniger wissen? In einer Zeit, in der KI bereits Bilder und Videos nachstellen kann und BILD mit Parolen aus den ganz falschen Milieus um sich schmeißt, ist es essentiell, dass wir Medien haben, auf die wir vertrauen können!
Sie belächelt wieder “Frauenliteratur”
Jahrelang haben AutorInnen, Verlage und Lesende dafür gekämpft, dass New Adult und Bücher, die von Frauen für Frauen geschrieben werden, mehr Anerkennung in der Gesellschaft bekommen. Mit einer eigenen Halle auf der Frankfurter Buchmesse schien dieses Ziel erreicht – und nur wenige Tage später diese Klatsche ins Gesicht. Aua.
New Adult ist nicht nur einfache “Frauenliteratur” oder “Erotik”. New Adult ist Emanzipation, New Adult ist Inspiration, New Adult ist Political Correctness, New Adult ist Aufklärung, New Adult ist Community. Dass in diesen Artikeln – mal mehr, mal weniger – der Anschein erweckt wird, dem wäre anders, ist einfach falsch, traurig und frustrierend.
Also liebe Medien, fragen wir vielleicht zur Abwechslung mal Menschen, die auch aktiv auf BookTok/Bookstagram sind und schon seit Jahren New Adult lesen. Vielleicht recherchieren wir fünf Minuten länger und hantieren weniger mit Klischees.
Dann wäre nicht nur uns als New Adult-Fans geholfen, sondern auch dem Vertrauen in die Medien.
Und falls ihr New Adult Empfehlungen braucht – wofür gibt es denn Booktok, Bookstagram und Buchblogs wie diesen? Here you go – kostenlos und auch sicher alle New Adult (nicht Dark Romance, da gibt es einen Unterschied!), geprüft von einer echten Leserin.
Gern geschehen.
Okay, geschafft. Alle einmal kurz durchatmen. Jetzt an alle meine New Adult Lesenden – was sagt ihr zur Berichterstattung? Hat es euch überrascht oder doch eher darin bestärkt, was wir uns seit Jahren anhören dürfen? Lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen.
Viel Spaß beim Schmökern
Pearl Diver of Books