“Lies erst das Buch und schaue dann den Film!” Wer kennt diesen Satz nicht? Und er ist sicher treffend für Reihen wie Harry Potter von J.K. Rowling oder Kerstin Giers Edelsteintriologie. Doch bei “Der Duke und ich” von Julia Quinn entspricht dieses Sprichwort nicht den Tatsachen. Ich habe mir – unwissend von diesem Buch – ebenfalls zuerst die Serie auf Netflix angeschaut und war sofort begeistert von dem geschichtlichen Flair, der unglaublich spannenden und zeitweise herzzerreißenden Handlung und natürlich von den grandiosen Schauspielern. Selbstverständlich musste ich danach sofort zum Buch, das als Inspiration für die Serie gedient hat, greifen und wurde leider schwer enttäuscht. Mehr dazu im Folgenden:
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Inhalt
London, 1813 – Die High Society Englands wird durch die Kolumne von Lady Whistledown gehörig durcheinandergewirbelt, so auch das Leben von Daphne Bridgerton. Nachdem ihre Mutter sie immer wieder drängt, einen Adeligen zu heiraten, schließt sie mit Simon Basset, dem heiratsunwilligen Duke of Hastings, einen Pakt: Er macht ihr den Hof und kommt so von den Scharen an Müttern und Töchtern los, während Daphne nun als begehrenswert gilt und dabei den Verkupplungsversuchen ihrer Mutter entkommt. Doch viel zu spät merkt Daphne, dass ihr Herz nur einem ganz bestimmten Duke gehört, dessen prickelnden Blicken sie sich nicht mehr entziehen kann…
Charaktere
Daphne Bridgerton
Anfangs hatte ich es sehr schwer mit unserer lieben Daphne: Sie wird wieder und wieder als “nicht wie die anderen” oder “Beste Freundin aller” bezeichnet, was vielleicht auch zutreffen mag, aber dies ständig zu wiederholen, nervt irgendwann nur noch. Glücklicherweise hat sich schnell gezeigt, dass Daphne einen sehr guten Humor besitzt und dazu auch ein (zu) großes Herz, für das man sie nur bewundern kann. Gerade die Sache mit Nigel Berbrooke hat deutlich gemacht, was für ein guter Mensch Daphne ist.
Simon Basset, Duke of Hastings
Unser männlicher Protagonist Simon findet sich schon im Prolog wieder, in dem von seiner Kindheit berichtet wird. Wahrlich ein armer Junge, der von seinem Vater wegen seines Stotterns verstoßen wurde. Das hat ihn sofort bodenständig wirken lassen. Bleibt dieser Eindruck? Nein, eindeutig nicht. Schon bei seiner ersten Begegnung mit Daphne wird sofort deutlich, dass er sich zu einem arroganten und extrem besitzübergreifenden Mann entwickelt hat, der vor Sexismus nur so trieft. Hinzu kommt, dass er nun auch ein Frauenheld ist (oder wie er sagt: “war”) und sich vor ein wenig Gewalt nicht scheut. Später nutzt er Daphnes Unwissenheit über die Geschehnisse in der Ehe schamlos für seine Zwecke – seinen Vater zu rächen – aus und stellt sich als besonders launisch heraus. Ein wirklicher Gentleman also, wie man ihn aus dem Bilderbuch kennt!
Ein wirklicher Gentleman also, wie man ihn aus dem Bilderbuch kennt!
Lady Whistledown
Die Verfasserin der gleichnamigen Klatsch-Kolumne kann man als sehr wortgewandt und ihre Texte als höchst amüsant bezeichnen. Wir erfahren nichts über die Person hinter Lady Whistledown, was aber auch nicht sonderlich verwunderlich ist, denn sie beeinflusst die Geschichte so gut wie gar nicht. Sie ist höchstens ein Teaser für die mögliche Handlung im folgenden Kapitel und wahrscheinlich eines der wenigen Merkmale, die den Roman von anderen Geschichten des Genres unterscheiden.
Anthony Bridgerton, Viscount Bridgerton
Der älteste Spross der Familie Bridgerton ist für Daphnes Verheiratung mit einem angesehenen und reichen Adeligen der Londoner Gesellschaft verantwortlich. Diesen Job erledigt er auch wirklich gut, denn er lässt Daphne relativ freie Hand und steht selbst guten Bewerbern kritisch gegenüber. In seiner Rolle als Freund von Simon ist er jedoch miserabel: Er scheint nicht die geringste Ahnung zu haben, wie sehr Simon seinen Vater verabscheut, was, gemessen an der Zeit, seit der die beiden bereits befreundet sind, doch sehr verwunderlich ist. Die beiden Männer scheinen jedoch die Passion für Gewalt zu teilen.
Violet Bridgerton, Viscountess Bridgerton
Die Mutter der acht Bridgertons ist vielleicht schlimmer als alle Mütter der Londoner High Society zusammen (und lasst euch gesagt sein, diese Mütter sind schon schrecklich!). Nicht nur erwartet sie viel zu viel von ihren Kindern, sodass diese manchmal Angst vor ihr haben, sie selbst ist das größte Weichei ganz Englands. Als Daphne sie vor ihrer Hochzeit nach dem “ehelichen Akt” fragt, stammelt Violet so lange vor sich hin und versucht so viel vom Thema abzulenken, dass Daphne nach den Gespräch nichts Neues weiß. So geht sie unwissend in eine Ehe, in der es dann aufgrund dieser Unwissenheit zu sexueller Gewalt kommt und eine Ehekrise ausbricht.
Collin Bridgerton
Hach, Collin. Wollen wir ihn nicht alle auf der Stelle heiraten? Er ist der Witzbold und Sonnenschein der Familie Bridgerton, der all der Förmlichkeit etwas Leichtigkeit verschafft. Mein absoluter Lieblingscharakter und ich freue mich schon sehr, seine Geschichte zu lesen!
Handlung
Fangen wir mit den positiven Dingen an: Der Prolog mit Simon hat mir sehr gut gefallen! Dadurch konnte ich seinen Hintergrund und seine Verschlossenheit besser nachvollziehen, auch wenn es eine hinzureichende Erklärung für seine Taten ist. Die Beziehung zwischen den Geschwistern Bridgerton war ebenfalls eine Besonderheit, die die Geschichte herausstechen lässt: Trotz des Altersunterschieds haben alle den gleichen Humor und sind auf einer Wellenlänge.
Nun zu den Problemen der Handlung: Die erste Hälfte des Buches bewegt sich auf einer Stelle. Wenn es in der Netflix-Serie ein ständiges Hin- und Hergelaufe war, dann war das Buch ein Stillstand. Simon und Daphne wissen beide von Anfang an, dass sie romantische Gefühle füreinander empfinden, sodass das Fake-Dating-Trope unnötig oder einfach nur schlecht geschrieben war. Das ist schade, da die Geschichte dadurch großes Potential verschenkt hat.
Schreibstil
Julia Quinns Schreibstil ist angenehm zu lesen und man könnte schnell durch die Seiten kommen – wären da nicht die extrem langatmige Handlung und eine Sprache, die keinerlei Spannung aufbaut. Gerade die langen, viel zu ausführlichen Rückblenden verhindern, dass man sich auf die eigentliche Handlung konzentrieren kann. Auch die Wiederholung von den gleichen Gedanken in kurzer Zeit (teilweise noch auf der gleichen Seite) macht das Lesen nicht schneller. Sehr irritiert hat mich die gehobene Sprache, die hier und da aufgekommen ist und überhaupt nicht zur sonstigen Sprache gepasst hat. Worte wie “Ehekontrakt” kann man deutlich einfacher und für alle verständlich formulieren: Einfach “Ehevertrag” sagen und selbst der kleine Nachbarsjunge versteht, was gemeint ist!
Man muss Julia Quinn jedoch zu Gute halten, dass die Beschreibungen über die Londoner Gesellschaft sehr gelungen sind und man sich das Geschehen rund um Daphne und Simon gut vorstellen kann. Das zeigt auch, dass die Autorin sich gut mit der Gesellschaft im Jahre 1813 beschäftigt hat.
Fazit
Positives | Negatives | |
Collin | Simon | |
Daphne | Violet | |
Beziehung zwischen den Bridgerton-Kindern | sehr kritische Szene | |
Sexismus | ||
langatmiger Schreibstil |
Alles in einem ein Buch mit viel verschenktem Potenzial, das ohne Simon Basset und einem etwas zackigerem Schreibstil wirklich gut sein könnte!
Empfehlung
Das Buch ist definitiv etwas für alle, die an der Londoner Gesellschaft im 18. Jahrhundert interessiert sind und mehr darüber wissen möchten. Fans der Netflix-Serie würde ich das Buch ans Herz legen, wenn ihr geneigt seid, die Inspiration für die Serie zu kennen.
Für alle, die Probleme mit Sexismus u.Ä. haben, ist das Buch nicht wirklich empfehlenswert. Lasst also lieber die Finger davon.
Habt ihr schon die ersten beiden Staffeln von “Bridgerton” auf Netflix gesehen? Wie haben sie euch gefallen? Lasst mich das gerne in den Kommentaren wissen!
Pearl Diver of Books